Die Mutter – Maria Magdalena Keverich

Maria Magdalena Keverich wurde am 19. Dezember 1746 in der Wambachstraße 204 in Ehrenbreitstein als jüngstes von sechs Kindern geboren. Ihr Vater Johann Heinrich Keverich war Oberhofkoch am Hof des trierischen Kurfürsten, dessen Residenz sich zwischen 1632 und 1786 in Ehrenbreitstein befand. Über ihre Kindheit ist weiter nichts bekannt, wohl aber, dass sie am 30. Januar 1763 mit nur 16 Jahren den 13 Jahre älteren Johann Georg Leym, einen Leibkammerdiener des kurtrierischen Herrschers Johann Phillip von Waldersdorff, heiratete. Nach nicht einmal drei Ehejahren starb Leym am 28. November 1765. Kinderlos zog die verwitwete Maria Magdalena Keverich zurück zu ihrer Mutter. *1

Vermutlich lernte sie dann über ihren Vetter Johann Konrad Rovantini, einen Violinisten der Bonner Hofkapelle, den Hoftenoristen Johann van Beethoven kennen, den sie schließlich am 12. November 1767 heiratete. Zusammen zogen sie nach Bonn in die Bonngasse, wo wahrscheinlich am 16. Dezember 1770 Ludwig van Beethoven das Licht der Welt erblickte. Insgesamt sind dieser Ehe sieben Kinder entsprungen, jedoch erreichten nur drei das Erwachsenenalter. Neben Ludwig waren das Kaspar Anton Karl (1774-1815) und Nikolaus Johann (1776-1848). Maria Magdalena van Beethoven starb im Alter von 40 Jahren am 17. Juli 1787 an Tuberkulose.

Über Leben, Charakter und Aussehen der Mutter Beethovens ist kaum etwas bekannt. *2

Die ausführlichsten Berichte finden sich in in den Aufzeichnungen des Bonner Bäckermeisters Gottfried Fischer, dessen Familie das Haus in der Rheingasse, in dem die Familie Beethoven ab 1775 für ca. zehn Jahre wohnte, gehörte.

Fischer schreibt über sie:

„Madamm van Beethoven Ihre Stattur.
Ziemliche größe, gelänktes Gesicht, blasse Färb, was gehöffelte Naß, Maager, und ernsthafte Augen, Cicilia Fischer sagte ehmal, sie wüßte sich nie zu erinnere das Sie Madamm van Beethoven hätte Lachen gesehen, immer ärnsthaft.“

Des Weiteren bezeichnet er sie als eine „schöne schlannke Persohn“, die eine gute Erziehung und Bildung erhalten haben soll.“ Über ihre Ehe und ihre Haushaltsführung heißt es:

„Madamm v: Beethoven war eine geschickte Frau, sie konnte für Hohen und Nidrige sehr fein, geschickt, bescheiten red und antwort geben, deswegen wurte sie auch sehr geliebt und geacht, sie beschäftigt sich mit Nähen und stricken, sie führten Beide eine rechtschaffende friedliche Ehe, sie zahlten alle Virteljahr ihre Haußmieth und geliffert Brod auf den Tag und so auch andere, sie war ein Haüßliche, gut Frau, sie wußte zu geben, auch zu nehmen, wie gedem gut ansteht, der rechtschaffen denkt“

Man bekommt den Eindruck einer meist zurückhaltenden, durchaus gebildeten und im Umgang mit anderen Menschen, auch von höherem Stande, versierten Frau. Mitunter konnte sie aber auch einen lauten Ton anschlagen, z.B. in Auseinandersetzungen mit den Nachbarn.

Über ihren sozialen Status gab es im Laufe der Zeit einige Unklarheiten. So findet sich in Gottfried Fischers Aufzeichnungen die Aussage, dass Maria Magdalena Keverich bei Johann van Beethovens Großvater Ludwig auf Ablehnung gestoßen sei. In Alexander Wheelock Thayers Beethoven-Biographie wird dieser Unmut auf ihren untergeordneten Stand bezogen, was schließlich in der Abhaltung der Hochzeit in Bonn statt Ehrenbreitstein resultierte. Dies erscheint Jacob Wagner aber vor dem Hintergrund ihrer überdurchschnittlichen Bildung und dem nicht unbeträchtlichen Vermögen ihrer Familie nicht wirklich plausibel. Die Abhaltung der Hochzeit in Bonn könnte auch völlig andere Gründe gehabt haben. Das erwähnte Vermögen sollte bei Familie Beethoven später noch für Probleme sorgen. Der mit Maria Magdalena Keverich verwandte Ehrenbreitsteiner Gerichtsvogt Gereon Friedrich Jenger unterschlug dieses, sodass ihr letztlich nichts von ihrer Erbschaft blieb.“ 

Kontrovers wird auch die Person ihres Gatten Johann van Beethoven gesehen. Häufig wird er dargestellt als leichtfertiger Mensch mit Hang zum Trunk, sowie einer übermäßigen Strenge, besonders im Umgang mit seinem Sohn Ludwig und dessen musikalischer Erziehung. *3 Als extremes Beispiel kann eine Situation angeführt werden, in der der Vater seinen Sohn des Nachts wachgerüttelt und ihn zum Klavierspielen angehalten haben soll. Wie schlimm die Eskapaden Johann van Beethovens wirklich waren und welche Auswirkungen sie auf die finanziellen Zustände der Familie und auf den Gemütszustand der Mutter hatten, die auch als „eine stille leidende Frau“  beschrieben wird, ist nicht vollends geklärt.

Während die Quellen also einigermaßen Aufschluss über die Erziehungsmethoden des Vaters geben, gibt es bezüglich der Erziehung der Kinder durch die Mutter kaum Hinweise. In fiktiven Beethoven-Romanen wird sie mitunter gerne als Gegenpol zum strengen, herrischen Vater und als besondere Bezugsperson Ludwig van Beethovens dargestellt. Andere Stimmen sehen gar in der Erwähnungen des schmutzigen und teils verwahrlosten Aussehens Ludwig van Beethovens, sowie in der Tatsache, dass die Beethoven-Kinder wohl häufiger in die Obhut von unzuverlässigen Mägden gegeben wurden, Beweise dafür, dass die Mutter nicht sonderlich um die Erziehung und Pflege der Kinder bemüht war. Verfechter eines fürsorglichen Bildes der Mutter Beethovens können wiederum auf die Erzählung einer Zeitzeugin verweisen, die beschreibt wie Maria Magdalena van Beethoven auf einer Reise ihrem Sohn aufgrund winterlicher Kälte die Füße gewärmt haben soll.

Ob die dürftige Quellenlage für die eine oder die andere Aussage genügend Hinweise hergibt, ist anzuzweifeln. Und ob überhaupt diese Tendenzen zum einen oder anderen Extrem der Lebensrealität entsprechen, ist ebenfalls in Frage zu stellen. Beethovens Freund Franz Gerhard Wegeler schreibt jedenfalls: „Beethoven’s Erziehung war weder auffallend vernachlässigt, noch besonders gut.“

Aller Kontroversen zum trotz kann aber festgehalten werden, dass Ludwig van Beethoven sich seiner Mutter sehr verbunden fühlte. Dies geht eindeutig aus dem Brief an Joseph von Schaden vom 15. September 1787 hervor, den er nicht lange nach dem Tod Maria Magdalena van Beethovens am 17. Juli verfasste:

„ich muß ihnen bekennen: daß, seitdem ich von augspurg hinweg bin, meine freude <wie> und mit ihr meine gesundheit begann aufzu hören; je näher ich meiner Vaterstadt kam, je mehr briefe erhielte ich von meinem vater, geschwinder zu reisen als gewöhnlich, da meine mutter nicht in günstigen gesundheitsumständen war; ich eilte also, so sehr ich vermochte, da ich doch selbst unpäßlich wurde: das verlangen meine kranke mutter noch einmal sehen zu können, sezte alle hinderniße bey mir hinweg, und half mir die gröste beschwerniße überwinden, ich traf meine mutter noch an, aber in den elendesten gesun[d|heitsumständen; sie hatte Schwindsucht und starb endlich ungefähr vor sieben wochen, nach vielen überstandenen schmerzen und leiden, sie war mir eine so gute liebenswürdige mutter, meine beste freundin; o! wer war glüklicher als ich, da ich noch den süßen namen mutter aussprechen konnte, und er wurde gehört, und wem kann ich ihn jetzt sagen?

Neben den Worten, die Beethoven für seine Mutter im Brief wählt, scheint auch die Tatsache, dass er seinen Aufenthalt in Wien abbricht auf den ersten Blick mit dem Gesundheitszustand der Mutter zusammenzuhängen. Armin Raab merkt jedoch an, dass Beethoven nur von Briefen über ihren Gesundheitszustand berichtet, die ihn auf der Reise erreichen und, dass das Zurücklegen einer solch langen Reise selbst beim Tod enger Familienmitglieder im 18. Jahrhundert ungewöhnlich war.

Nicht zuletzt weist auch eine Aussage Wegelers in seinen „Biographischen Notizen über Beethoven“ auf ein positives Verhältnis hin: „Mit seinen Jugendfreunden sprach er gern vom Großvater und seine fromme und sanfte Mutter, die er weit mehr, als den nur strengen Vater liebte, mußte ihm viel vom Großvater erzählen.“

Ihrem Geburtsort Ehrenbreitstein und ihrer dortigen Verwandtschaft blieb Maria Magdalena van Beethoven auch nach ihrem Umzug nach Bonn verbunden. Neben einer bei Fischer explizit erwähnten dreitägigen Reise des frisch getrauten Ehepaares zu den Verwandten nach Ehrenbreitstein finden sich auch Hinweise auf Besuche ihrer Verwandtschaft aus Ehrenbreitstein in Bonn, sowie eine Reise ihrerseits zu verschiedenen Orten und Sehenswürdigkeiten in Bonn und dem Rheinland, unter anderem auch nach Koblenz. Ferner taucht Ehrenbreitstein natürlich auch in ihren Erinnerungen an bestimmte Ereignisse aus ihrer Jugendzeit auf.

Anmerkungen zu dieser Seite (fehlende Anmerkungsziffern habe ich als nicht relevant für diese Ausführungen erachtet.)

*1 Johann Georg Leym brachte aus seiner ersten Ehe drei Kinder mit, die allerdings alle 1763 verstarben. Aus der Ehe mit Maria Magdalena Keverich entsprang ein Sohn, Johann Peter Anton, der bereits nach einem Monat starb.

*2 Etwaige Abbildungen der Mutter Beethovens haben sich als Fehlzuweisungen erwiesen, siehe hierzu Hugo Riemanns Anmerkung in TDR 1, S. 120

*3 Siehe z.B. TDR 1, S. 116 f., 120 und S. 128 ff. Als Extrembeispiel für ein negatives Bild des Vaters sei die Biographie von Ernst Pichler angeführt, die sich ganz der „Entmythisierung“ des Lebens Ludwig van Beethovens widmet. Johann van Beethoven wird als Säufer und Versager dargestellt, der den sozialen Abstieg der Beethoven’schen Familie zu verantworten hat und seiner Gemahlin mit seinem Verhalten das Leben erschwert.