Der Freund – Franz Gerhard Wegeler

Eine wichtige Verbindung Beethovens zu Koblenz ist sein Jugendfreund Franz Gerhard Wegeler. Er wurde am 2. August 1765 in Bonn geboren. Schon früh zeichnete sich ein steiler Aufstieg des Jungen ab. So schaffte es der Sohn einer nicht-wohlhabenden Schuhmacher-Familie auf das Jesuiten Gymnasium, studierte Medizin an der Kurkölnischen Universität Bonn und wurde schließlich zur weiteren Ausbildung von Kurfürst Maximilian Franz, der auch Beethoven förderte, nach Wien an die k.k. Josefsakademie geschickt.

Die Bonner Zeit seiner Karriere war vor allem von seiner Lehrtätigkeit geprägt. Im Alter von nur 24 Jahren erhielt er eine Professur an der kurkölnischen Universität in Bonn. Aufgrund ungünstiger Umstände musste er 1794 Bonn verlassen und ging erneut nach Wien, bis er im Jahr 1796 wieder nach Bonn gerufen wurde. Nach Aufhebung der linksrheinischen Universitäten Köln, Bonn, Mainz und Trier im Jahr 1798, arbeitete er bis 1804 als Lehrer an der Zentralschule in Bonn.

Im Laufe der Zeit stieg Wegeler immer weiter zu einem Arzt mit überregionaler Bedeutung auf. Er wurde Leiter der Hebammenschule in Bonn (1804) und Mitglied des Zentralauschusses der Pockenschutzimpfungen (1807). Im Jahr 1807 ging er schließlich nach Koblenz, um einen Posten als Leiter der Medizinalpolizei im Rhein-Mosel-Departement auszufüllen. 1816 wurde er zum Regierungs- und Medizinalrat in Koblenz ernannt und fungierte auf diesem Posten unter anderem als technischer Berater des Regierungspräsidenten in medizinischen Angelegenheiten und als dienstlicher Vorgesetzter aller Medizinalanstalten im Regierungsbezirk. Seine letzte große Beförderung war die zum Geheimen Medizinalrat und zum Direktor der „Rheinischen Ober-Examinations-Kommission zur Prüfung höherer Medizinalpersonen“. Wegeler starb am 7. Mai 1848 in Koblenz. In seiner erfolgreichen medizinischen Laufbahn hat er regional und überregional Spuren hinterlassen, z.B. in der Ausbildung von Hebammen und in der Bekämpfung der Pocken.

Zu Beethoven hatte Wegeler Zeit seines Lebens eine besondere Beziehung. Kennengelernt haben sie sich zu ihrer Jugendzeit in Bonn. Trotz des Altersunterschieds von sechs Jahren freundeten sie sich an. Wegeler selbst hatte seit 1782 Verbindungen zu der reichen Bonner Familie von Breuning und war dort als Haus- oder Nachhilfelehrer und Aufpasser der vier Kinder Eleonore, Christoph, Stephan und Lorenz tätig. Er war es auch, der letztendlich Ludwig van Beethoven in diese Familie als Klavierlehrer einbrachte.
Nicht nur blieb Beethoven den Mitgliedern der Familie ein Leben lang verbunden, (*41) er scheint in seiner Bonner Zeit im Hause von Breuning eine Art zweite Heimat gefunden zu haben, besonders nach seiner Rückkehr von der ersten Reise nach Wien und dem Tod seiner Mutter im Jahr 1787. Wegeler beschreibt dies Verhältnis in seine „Biographischen Notizen“ folgendermaßen:

„Beethoven wurde bald als Kind des Hauses behandelt; er brachte nicht nur den größten Theil des Tages, sondern selbst manche Nacht dort zu. Hier fühlte er sich frei, hier bewegte er sich mit Leichtigkeit Alles wirkte zusammen, um ihn heiter zu stimmen und seinen Geist zu entwickeln.“

Wegeler selbst heiratete 1802 aus dieser Familie schließlich Eleonore von Breuning. Diese gemeinsame Jugendzeit war auch in Sinne der Entwicklung persönlicher Geisteshaltung wichtig, Beide hielten sich häufig in in der Gaststätte „Zum Zehrgarten“ auf, die für zahlreiche talentierte junge Menschen ein Ort der Begegnung und des Austausches über Literatur, Wissenschaften und Künste im Geiste der Aufklärung war.
Nach der gemeinsamen Bonner Zeit trafen sich die beiden 1794 in Wien wieder. Ihre tatsächlich letzte persönliche Begegnung muss 1796 gewesen sein, bevor Wegeler aus Wien abreiste. Sie hielten aber über Briefe weiter Kontakt. Auch wenn dieser Briefwechsel sehr unregelmäßig stattfand, wie die sehr langen Pausen zwischen den Briefen 1801 und 1810, sowie 1816 und 1826 zeigen, fand wohl ein ständiger Austausch über den gemeinsamen Freundeskreis statt.

Wie wichtig die Freundschaft auch über die weite Entfernung und nach all den Jahren noch war, zeigt beispielsweise ein Brief vom 2. Dezember 1826:

„Wegen unsrer Freundschaft bedarf es von keiner Seite seiner Anfrage, u. So lebe wohl; ich bitte dich, dein liebes Lorchen u. deine Kinder in meinem Nahmen zu umarmen u. zu küssen, u. dabey meiner zu gedenken. Gott mit euch allen! Wie immer dein treuer, dich ehrender wahrer Freund Beethoven“

Nicht zuletzt findet sich in einem Brief aus dem Jahr 1801 an Franz Gerhard Wegeler das erste Mal eine Mitteilung Beethovens zu seiner beginnenden Taubheit: „<erhalten> nur hat der neidische Dämon, meine schlimme Gesundheit, mir einen schlechten Stein ins Brett geworfen nemlich: mein Gehör ist seit 3 Jahren immer schwächer geworden“. Letztendlich sind sich die Freunde seit der kurzen gemeinsamen Wiener Zeit nie wieder persönlich begegnet. Der Kontakt zwischen ihnen bestand dennoch bis zuletzt. Beethoven schrieb seinen letzten Brief an Wegeler am 17. Februar 1827 einen Monat vor seinem Tod.

Es bedarf keiner großen Imaginationskraft sich vorzustellen, dass ein so gebildeter und erfolgreicher Mensch wie Franz Gerhard Wegeier im Koblenz des 19. Jh. auch abseits seines Berufs Spuren hinterlassen haben muss. Zum Zeitpunkt seines Umzugs nach Koblenz 1807 stand die Stadt unter französischem Einfluss und der Adel um den trierischen Kurfürsten hatte bereits 1794 vor der französischen Besetzung die Flucht ergreifen müssen. So kam es auch, dass die neue bürgerliche Führungsschicht mit der Zeit immer mehr die Initiative ergriff, was sich letztendlich 1808 in der Gründung der Casino-Gesellschaft und nur weniger Monate später in der Gründung des Musik-Instituts zeigt.

Wegeler war in beiden Gesellschaften Gründungsmitglied und wurde sogar für den Vorstand des Musik-Instituts vorgeschlagen, letztlich jedoch nicht berufen.

Er scheint also schnell Anschluss an diese Koblenzer Bürgerschicht gefunden zu haben, was auch mit seiner engen Verbindung zu Christoph von Breuning zusammenhängen könnte, der seit 1806 als Professor an der Rechtsfakultät im Metternicher Hof tätig war.

Seine Partizipation im Musik-Institut lässt es vermuten: Wegeler war durchaus musikbegeistert und war somit Zeit seines Lebens nicht nur ein angesehenes Mitglied der bürgerlichen Schicht in Koblenz, sondern blieb auch dem Musikleben der Stadt eng verbunden, auch wenn er selbst über sich sagt er sei „in Hinsicht auf Musik nur ein schwacher Dilettant“.

Wegeler hat auch in der Beethoven-Forschung seine Spuren hinterlassen. Zusammen mit Ferdinand Ries, der selbst Schüler Beethovens war, verfasste er die 1838 im Karl Baedeker Verlag in Koblenz erschienene Schrift „Biographische Notizen über Ludwig van Beethoven“ die auch heute noch eine wichtige Quelle für die Beethoven-Biographik ist. Die von ihm und seiner Frau Eleonore Wegeler (geb. von Breuning) im Laufe des Lebens gesammelten Briefe, Dokumente und Freundschaftsgaben bilden heute den Kernbestand der Beethoven-Sammlung der Julius-Wegeler’schen Familienstiftung, die sich seit 1998 im Beethoven-Haus Bonn befindet und eine Vielzahl an wichtigen Quellen, vor allem zu Beethovens persönlichem Umfeld und seinen Jugendjahren, beinhaltet

Bis heute hinterlässt die Familie Wegeler in Koblenz ihre Spuren. Diverse Intendanten des Musik-Instituts entstammten ihr [1887: Julius Wegeler, 1900: Carl Wegeler, 1993: Rolf Wegeler] und sie ist eng mit der Geschichte der Sekt- und Weinkellerei Deinhard verbunden.

Anmerkung zu dieser Seite

*41 Mit Stephan von Breuning, der selbst 1801 nach Wien zog, war er lebenslang eng befreundet Dieser hat auch am Libretto zur Oper Fidelio mitgewirkt Eleonore von Breuning wird häufig als Beethovens Jugendliebe dargestellt. Ihr widmete er einige seiner frühen Werke z.B. WoO 40, zwölf Variationen für Klavier und Violine über die Arie „Se vuol ballare“ aus Mozarts Oper Le nozze di Figaro.