Der Festungsbau Ehrenbreitstein

Festungsmodell im Retirierten Graben

Baukonstruktive Methoden und Praktiken im frühen 19. Jahrhundert.
Quelle:
Erhalt und Nutzung historischer Großfestungen
Herausgegeben von der Landeshauptstadt Magdeburg

Vorbemerkung

Die preußische Festung Ehrenbreitstein ist einer der ersten großen Festungsneubauten nach den Freiheitskriegen, und die Gesamtplanung erregte von Anfang an großes Aufsehen. Es gab keine bestehenden und zu integrierenden Werke, und damit bot sich den Militäringenieuren die Möglichkeit, völlig Neues zu erproben. Modernste Technik kam zum Einsatz, und sie mussten mit Formen und Materialien experimentierten. Im Festungsbau wurde das Konkurrenzprinzip eingeführt, indem Aufträge und Lieferungen im Bieterverfahren vergeben werden, und der damals übliche Tagelohn wurde durch den Akkord ersetzt.

Bauart der Festung Ehrenbreitstein

 

Die Festung Ehrenbreitstein ist Nachfolgerin einer älteren, 1801 von napoleonischen Truppen weitgehend zerstörten Festungsanlage. Die Contregarde links steht exakt an der Stelle des entsprechenden früheren Bauwerks. Grundlage für die Neubauplanung bildete der Ruinenplan aus dem Jahr 1815.

Beide Stirnmauern stehen auf vorbereitetem Untergrund, massivem Fels bzw. aufgefülltem und festgestampftem Erdreich mit eingefülltem Steinmaterial. Die Dicke der Eskarpenmauer beträgt an ihrer Sohle ca. 3,1 Meter. Nach oben verjüngt sie sich bis auf etwa 1,9 Meter. Die Dicke der Hinteren Stirnmauer beträgt unten ca. 0,94 Meter, nach oben nur unwesentlich verjüngt. Sie ist ca. 115 Meter lang und hat einen Saillantwinkel von 45°, ihr Kordon liegt ca. 12-13 Meter über der Sohle des Hauptgrabens. Zur linken Flanke des Ravelins steht sie in einem Winkel von ca. 125°.

Das Gebäude ist zweigeschossig, mit einem hohen, massiven Sockel. Zwischen den beiden Stirnmauern steht ein vermutlich verfülltes, parallel zu ihnen geführtes Tonnengewölbe. Die Contregarden der älteren Festung waren Erdwerk, die vor Beginn des Neubaus weitgehend abgetragen wurden.

Hierauf ruhen die Widerlager der neunzehn Blöcke. Die Blöcke in der linken Contregardspitze und weiter Blöcke sind auf beiden Etagen kasemattiert. Die Blöcke 18 und 19 an der rechten Flanke bilden ein eineinhalbgeschossiges Kriegspulvermagazin mit Mittelstütze und verstärktem Dachaufbau. Im Mittelteil sind die Blöcke 4 bis 10 im ersten Obergeschoß verfüllt und nur im zweiten Obergeschoß als Kasematten ausgebildet. Die Kasematten sind nicht freihändig, sondern über Lehrgerüste gemauert worden, wie sie an der Mosel üblich waren. Diese Technik ging auf einen Vorschlag des Bauinspektors bei der Regierung in Koblenz,

Johann Claudius von Lassaulx (1781-1848) zurück. Auf einigen Plänen ist dieses Sparrengerüst eingetragen.

Hinter der Vorderen Stirnmauer verläuft der Kriegsgang, entlang der Hinteren Stirnmauer die rückwärtige Kommunikation. Über den Endwiderlagern und den Kommunikationen liegt je ein Kreuzgratgewölbe; die Mittelwiderlager überspannt ein Tonnengewölbe. Die Fußböden der Kasematten bestehen aus festgestampfter Erde mit längs aufgelegten Balken und quer darüber genagelten Dielen. Eine durch die Hintere Stirnmauer geführte Öffnung sorgte für eine Unterlüftung.

Durch die Anlage des Kriegsgangs ist den Gebäuden des Hauptwalles des Oberehrenbreitstein eine größere Tiefe als allen anderen Gebäuden der Festung Koblenz-Ehrenbreitstein gegeben worden. Sie sollte die Widerstandsfähigkeit bei einem Angriff erhöhen. Der Kriegsgang gab der Geschützbedienung darüber hinaus eine größere Bewegungsfreiheit. Die rückwärtige Kommunikation ermöglichte während der Verteidigung Durchgangsverkehr, ohne die Geschützmannschaft zu behindern. Die Breite der Kasematten übersteigt das für die Verteidigung notwendige Maß, um im Frieden ausreichend Raum zur Kasernierung der Besatzung zu haben.

Neben den zur Verteidigung notwendigen Einrichtungen sind für die friedensmäßige Nutzung als Kaserne Heiz- und Kochgelegenheiten, Belichtung, Be- und Entlüftungen angelegt worden. Diese Einbauten durften die Bewegungsfreiheit im Verteidigungsfall nicht behindern. Die Kanonenscharten in der Vorderen Stirnmauer und die Fenster bzw. Tore in der Hinteren Stirnmauer sorgten für Belichtung und Luftzufuhr.

Bauplanung und Ausführung

Nach dem Territorialprinzip gab es in der preußischen Armee drei Ingenieurbrigaden mit je einem Oberbrigadier. Die Brigaden wiederum bestanden aus zwei Festungsbrigaden und drei Pionierabteilungen. Dem Ingenieurkorps oblagen die Erstellung der Detailplände, und sie hatten auch die Bauleitung. Einem Platzingenieur unterstand jeweils der Bauplatz, und jedes Festungswerk bzw. jeder Bauabschnitt war einem bauleitenden Ingenieur unterstellt. Unter seiner Leitung arbeiteten Ingenieuroffiziere an Entwürfen und Kostenanschlägen. Ehemalige Unteroffiziere der Armee fungierten als Bauschreiber und Wallmeister.

Als Aufseher und Vorarbeiter wurden ehemalige länger dienende Pioniere rekrutiert, während einfache Soldaten zu Schanzarbeiten herangezogen wurden.

Wenn die Arbeitskräfte nicht ausreichten, wurden auch zivile Arbeitskräfte herangezogen, teilweise im Frondienst. Im Frieden erhielten sie dafür einen geringen Arbeitslohn, während im Kriegsfall kein Arbeitslohn vorgesehen war. In Ehrenbreitstein erfolgte die Zahlung oft gar nicht, und die Arbeiter konnten ihre Ansprüche nur durch massive Proteste, unterstützt von der Zivilverwaltung, durchsetzen. Letztendlich wurde ganz auf Zwangsdienste verzichtet.
Im September 1816 begann die Anwerbung von Tagelöhnern, wie dem „Bericht über die Festungsarbeiten von Coblenz“ aus dem Kriegsarchiv Wien vom Juli 1818 zu entnehmen ist.

Nachdem in der näheren Umgebung keine Arbeitskräfte mehr für den Bau der Festung verfügbar waren, begann eine weiträumigere Anwerbung. In den Niederlanden wurden Arbeiter und Maurer für Backsteinarbeiten geworben, in Tirol neben Maurern auch Steinhauer.

Die Arbeitskräfte konnten sich zu einer (freiberuflichen) Gemeinschaft zusammenschließen. Die Anzahl der in einer „Schacht“ genannten Kolonne tätigen Maurer durfte während der Vertragslaufzeit nicht verändert werden. „Schacht“ leitet sich ab von dem gebräuchlichen Tiefbaumaß, der „Schachtrute“.  Sie entspricht dem Maß von 4,454 cbm. Dies galt als Tagesleistung eines guten Maurers. Ausscheidende Arbeiter mußten vom Unternehmer bzw. Maurermeister sofort ersetzt werden.

Unternehmer oder Maurermeister wurden nicht als selbstständig angesehen, sondern erhielten Lohn als Aufseher vor Ort. Sie mussten die Güte der Arbeit überwachen, und die Maurer wurden durch Akkordlohn zu hoher Arbeitsleistung angespornt. Man war auf ein stetes Arbeitstempo angewiesen und wollte dieses durch solche Maßnahmen sicherstellen.

Wöchentlich wurden die Ergebnisse überprüft. Wenn diese nicht den gestellten Anforderungen entsprachen, musste das Werk wieder abgerissen und neu gebaut werden, was dann allerdings nicht mehr zusätzlich bezahlt wurde. Das bedeutete, dass nicht abgenommene Arbeiten zu einem empfindlichem finanziellen Verlust führte.

Baumaterial für den Festungsbau

 

Das benötigte Baumaterial wurde nicht nur in der näheren Umgebung gewonnen, sondern es wurden alle erreichbaren Möglichkeiten genutzt.

Zwei der für den Festungsbau genutzten Steinbrüche lagen an der Westflanke des Ehrenbreitsteins, ein weiterer nordöstlich der Kniebreche, und ein Steinbruch unterhalb des Rittersturzes wurde ebenfalls genutzt.

Der Basalt für Fenster-, Tür- und Toreinfassungen sowie Mauerabdeckungen kam aus der Gegend von Mendig (Eifel). Die Sandsteinquader wurden auf dem Wasserweg aus Miltenberg in Unterfranken beschafft. Sie kamen hauptsächlich als Kantenquader bei Gesimsen, Toreinfassungen,

Zierformen und teilweise auch für Scharteneinfassungen zum Einsatz. Ziegel wurden im nahe gelegenen Bendorf gebrannt. Späte wurden aus Kostengründen nur noch Ziegel verbaut, nachdem Schießversuche gegen beide Materialien nur geringfügige Unterschiede in der Festigkeit gegen Beschuß ergeben hatten.

Geschütz- und Gewehrscharten waren die hauptsächlichen Verwendungsorte der Quaderziegel. Formziegel kamen bei Schächten (Entwässerung, Schornsteine etc.), Pilastern, Gesimsen, vereinzelt bei Torbögen und Fenstereinfassungen, sowie Nischen zum Einsat

Die Bauzeit

Die Contregarde links gehört zum ersten Bauabschnitt des preußischen Oberehrenbreitstein. Die Grundsteinlegung auf dem Oberehrenbreitstein erfolgte am 6. Juni 1817 an der Ravelinspitze, wenige Tage nachdem die Detailplanungen für die Feste Ehrenbreitstein vom Kriegsministerium genehmigt worden waren.

Der Ablauf der Feier zur Grundsteinlegung ist überliefert in einem Tagebuch von Karl Hartmann, gedruckt in Dewora, Joseph Victor: „Ehrendenkmal“. Bauleitender Ingenieur war Carl Joseph Heinrich Schnitzler (1789-1864). Von ihm stammen auch die Fassadenentwürfe für den Oberehrenbreitstein und Fort Asterstein.

Die Bauarbeiten an der Contregarde links hatten jedoch bereits im August 1816 begonnen, als nur der von Franz Joseph Le Bauld de Nans et Lagny (1767-1844) erstellte Generalplan

existierte. Diese Situation ist typisch für den Bau der Festung. In frühen Berichten wird immer wieder auf die Tatsache hingewiesen, daß der Bau ohne Vorlage detaillierter Pläne begonnen wurde.

Im Sommer 1819 war die Hauptenceinte des Oberehrenbreitstein fertig gestellt, der Innenausbau im Herbst 1820 abgeschlossen. 1823 wurde die Contregarde links erstmals mit Truppen belegt. Diese Zeit wurde vermutlich abgewartet, damit die Bauten austrocknen konnten.

Die Bauausführung folgte weitgehend dem Entwurf. Änderungen, die während der Bauarbeiten vorgenommen wurden, betrafen Detailfragen. Betroffen waren wichtige Veränderungen im Bereich der Dacheindeckung, der Dachentwässerung und Abdichtung. Sie waren exemplarisch für die Gesamtzahl der Versuche und Neuerungen auf dem Bauplatz Festung Ehrenbreitstein.